Tourfortschritt

Tourfortschritt

Donnerstag, 30. Juni 2011

Tag 6: Mannheim - Pforzheim

Die Überraschung des Tages machte mir Herr Kaas, der mich damals zum Studium nach Deutschland eingeladen hatte. Als er mich sah, motivierte er mich indem er sagte "du machst was sehr schönes, Radeln für Freundschaft ist zum 50. Jahrestag eines der besten Aktionen, die ich kenne. Du vermittelst mit dieser Aktion beiden Bevölkerungsgruppen eine gute Botschaft. Die Jugendlichen nehmen dich zum Vorbild. Ich sehe in dir den Willen, diese Tour auch zu Ende zu bringen."
Nach einem Frühstück bei meinem Bruder Yakup Cevik wurde dann mit mir vom türkischen Fernsehsender ATV eine Live-Tel-Schaltung gemacht. Ich machte mich anschließend auf den Weg Richtung Pforzheim. Ein deutscher Bürger, dem ich auf dem Weg begegnete und der mein Vorhaben wohl erahnte, sagte zu mir "wie willst du diese Strecke bis in die Türkei meistern, es ist schwieriger als es aussieht. Ich habe mit dem Motorrad die Strecke gemeistert und weiß, wovon ich rede". Ich sagte ihm, dass ich bestens vorbereitet sei und dass ich mich freue, wenn er mich über meinen Blog verfolge.

Als ich dann durch Mannheim Stadtzentrum fuhr hatte ich eine kurze Unterhaltung mit einem meiner Landsleuten. Er fragte mich, welche Länder ich auf dem Weg in die Türkei überquere und gab mir anschließend den Rat Bulgarien so weit es geht zu vermeiden. Ich bedankte mich für seinen Rat und gab ihm zu wissen, dass ich Bulgarien und Serbien nicht auf meiner Tour eingeplant hatte. Er verabschiedete sich und wünschte noch viel Glück. Beim Vorbeifahren an der Uni Mannheim blieb ich an, um ein Foto zu machen. Schließlich hatte ich hier einige Monate studiert, bevor ich dann zur Uni Tübingen wechselte.
Es ging für mich weiter nach Schwetzingen. In dieser Stadt gibt es eine prächtige Moschee. Sie ist für Gebete nicht geöffnet und wurde in den Jahren 1600 von dem damaligen König errichtet. Es lohnt sich wirklich diese Moschee zu besuchen.



Da ich in Bruhsa mit Kadir Boyaci verabredet war, wollte ich nicht allzu viel Zeit verlieren und machte mich weiter auf dem Weg. Einige Kilometer später sah ich ein Schild mit dem Hinweis "Original deutscher Honig vom Imker". Ich wollte mir den Honig nicht entgehen lassen und hielt daraufhin an. Nach einem längeren Klingeln an der Haustür begrüßte mich der 75 jährige Konrad. Er selber komme ursprünglich aus Ungarn, wohne aber seit 1944 in Deutschland. Ich fragte ihn wie er sich in Deutschland so fühle. Er antwortete "In früheren Jahren wurden wir schon diskriminiert, obwohl wir für dieses Land arbeiteten. Als dann später die Griechen und Italiener kamen gerieten wir zunehmend in Vergessen. Und jetzt werden die Türken als Ausländer in der Bevölkerung angesehen".
Fühlen Sie sich wie ein Deutscher, fragte ich. Er antwortete "Eine Zeit lang habe ich mir diese Frage auch gestellt. Doch ich wurde immer daran zurück erinnert, dass ich Ausländer bin." Später zeigte mir Konrad seinen Stammbaum. Er sagte, dass sein Vater vielleicht türkische Wurzeln trage. Auf dem Bild, das er mir zeigte, war die Ähnlichkeit zum Türken vorhanden. Er zeigte mir ein Bild seiner Mutter, die damals Kopftuch trug. Ich fragte Konrad, ob er auch türkische Kundschaft habe. Er antwortete, dass er vereinzelt auch türkische Kundschaft habe und dass die türkischen Bürger Honig in der Dose vorziehen würden. Ich kaufte von Konrad 500g Blütenhonig und verabschiedete mich.

Als ich nahe Hockenheim radelte, machte ich Bekanntschaft mit Klaus und Annette. Wir radelten gemeinsam 15km. Klau sei Rentner. Als vor 38 Jahren in die Firma, wo ich arbeitet das erste mal Türken kamen waren viele sehr neugierig, sagte er. Ich erinnere mich wie gestern, fügte er hinzu. Weil die WC's bei uns anders waren, kann ich mich erinnern, dass es für einige meiner türkischen Freunde schon eine Umstellung war, sagte er. Das Ehepaar erzählte mir, dass sie früher häufig auch in Türkei waren, doch in den letzten Jahren Deutschland als Urlaubsort bevorzugen. Annette gestand mir, dass die türkischen Bürger sehr zuvorkommend und freundlich seien und den Kontakt zu anderen Menschen suchen würden. Sie sagte, dass die türkischen Frauen beim Einkaufen sehr gesprächig seien und vielleicht aus diesem Grund türkische Läden bevorzugen würden.
Das Ehepaar erzählte mir weiterhin, dass Sie türkische Nachbarn hätten. Anette sagte, dass es unter den Türken normal sein die eigene Kultur weiter aufleben zu lassen. Sie sagte, dass es sich nicht anders wäre, wenn sie selber in der Türkei leben würden. Ich fragte, ob die jetzige deutsche und türkische Generation nach 50 Jahren der Migration sich verstehen würden. Anette antwortete mit "Natürlich. Zu unserer Schulzeit hatten wir keine Ausländer in unserer Klasse, doch meine Tochter sitzt mit türkischen Kindern im Unterricht. Ich bin mir sicher, dass die jetzige Generation sich besser verstehen wird."

Auf unserem Weg haben wir gemeinsam mit Klaus und Anette eine angenehme Unterhaltung geführt. Wir verabschiedeten und in Waghausel und ich fuhr weiter Richtung Bruchsal. Mit Kadir Boyaci trafen wir uns dann am Hauptbahnhof. Unser Ziel war Pforzheim.

Gemeinsam mit den Bruchsaler Jungs

Ich hörte das Hupen eines Autos und später die Stimme "Wohin
geht die Reise? Ich habe ihn im Fernsehen gesehen, er radelt in die Türkei". 
Ich fragte: "Jungs wie gehts euch, alles klar bei euch?" 
Jungs: "Nicht wirklich."
Ich: "Wie läufts in Deutschland?"
Jungs: "Ganz gut, doch wir vermissen die Türkei. Wir werden dich verfolgen"Ich: "Jungs danke für die Unterstützung. Ihr werdet es besser machen".
Nach einem Erinnerungsfoto mache ich mich dann gemeinsam mit Kadir Boyaci auf den Weg. Bis Bretten läuft es ganz gut. Doch zwischen Bretten-Pforzheim geht es steil hoch. Für Kadir Boyaci wird die Fahrt zunehmend zu einer Tortour. 


Am Ende des Tages sagte Kadir Boyaci zu mir: "Ismail ich gratuliere dir. Es ist schwieriger als es aussieht." An dieser Stelle kann ich sagen, dass es zwar angenehm ist mit dem Fahrrad zu radeln, doch es erfordert natürlich auch eine ganze Menge Vorbereitung und Ausdauer. 
Abend um 23:10 in Pforzheim angekommen, bin ich Gast von Fatih Aygün. Ein leckeres Abendessen habe ich mir an diesem Tag verdient.

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